Hella Santarossa – Schöpfungsgeschichte – Gott sprach: es werde Licht
Sommersonniges Sonnenblumengelb bestimmt das nächste Fenster – es sollte der strahlende Mittelpunkt des Zyklus werden und wurde dies auch, obgleich die Künstlerin in diesem Fall mit dem lichtmindernden Ergebnis ihrer Klebetechnik nicht völlig zufrieden war.
Licht und Wasser sind die Grundlagen und Voraussetzungen jeden Lebens, hier geht die Geschichte der Genesis völlig konform mit den Ergebnissen der Physik. Der Bezug zum ersten Fenster liegt auf der Hand, bezeichnend auch, dass die beiden Fenster in ihrer Farbigkeit auf einander bezogen sind: Gelb ist die Komplementärfarbe zu Blau, aus ihrer Mischung entsteht Grün, die Farbe der Hoffnung und des Lebens. Sie bestimmt die beiden folgenden Fenster.
Im Fenster des Lichtes aber scheinen gegenüber dem radikalen Realismus des vorigen Fensters abstrakte, expressive Formen zu dominieren: Im leuchtend gelben Rechteck streben „gotische“ Formen vor tiefschwarz kontrastierendem Hintergrund gen Himmel. Umgekehrt gelesen lässt sich die Inversionsfigur Form einer Taube erkennen, die vom Himmel herabkommt, befruchtend, Leben spendend.
Erst bei sehr genaue Betrachtung lässt sich erkennen, dass einmal mehr ein privates Foto die Grundlage der Komposition bildet, und es ist bezeichnend für Hella Santarossas subjektive Ikonographie, dass auch hier, ohne narzistische Implikationen, Reales, Persönliches, Biographisches, Erlebtes und Empfundenes zum Material überpersönlicher Gestaltung wird. Man muss es nicht wissen, aber wenn man es weiss, ist es einer über das intim Persönliche hinausgreifenden Rezeption nicht hinderlich: Es sind die an sonnigem Strand ausgestreckten Beine der Künstlerin mit ihren roten Schuhen.
Im Basisbereich des Fensters aber sind Landschaftsbilder, fotografische Aufnahmen der Wasserfälle auf Livingstone Island zu sehen.
In all diesen Bildern geht es um lebendige, gelebte und erlebte Gegenwart: Um eine Gegenwart, die zwar bereits jetzt schon wieder und weiterhin unablässig zur Vergangenheit gerinnt, aber dabei wie jede bedeutende Kunst ihre Aktualität nicht einbüßt in dem Bogen, den sie von der Vergangenheit über die Erinnerung in die Zukunft spannt.
Autor: Hans Gercke
Mit freundlicher Genehmigung entnommen und gekürzt aus: Hans Gercke: Hella Santarossa – Ihre Fenster in der Heiliggeistkirche Heidelberg 1997-2002. In: Iris Nestler (Hrsg.): Meisterwerke der Glasmalerei des 20. Jahrhunderts in den Rheinlanden, Band III, Mönchengladbach 2019, Seiten 266-275
Siehe auch
- Einführung: Zur Geschichte der Kirche, Der Bau im Überblick, Alte Pläne und Zeichnungen
- Impressionen: Die Kirche von außen und innen, Die Fenster, Die Ausstattung
- Die Kirche im Detail: Von außen, Von innen, Die Ausstattung